Das alte Krales lag wohl weiter südlich, als bislang angenommen. Das Laserscan-Luftbild zeigt den Bauplan des mittelalterlichen Dorfes (Nummer 9 auf auf der Übersichtskarte)
Auf Laserscan-Luftaufnahmen, die in der elektronischen Karten-Datenbank des Landes NÖ gespeichert sind, taucht er in voller Größe auf: Krales - jener historisch gut dokumentierte, sehr wehrhafte Ort samt Herrensitz, der unter Historikern seit vielen Jahrhunderten als verschollen galt.
Krales (Nummer 9 auf der Kartenübersicht) liegt etwa 1.800 Meter südlich von Enzersdorf, unmittelbar westlich der Landesstraße L1076 in Richtung Schloss Glaswein bzw. Herzogbirbaum. Genau dort, wo heute rechterhand das Waldgebiet beginnt. Entsprechend ist alles mit Bäumen und Sträuchern überwachsen, wodurch aber gleichzeitig die alten Strukturen gut erhalten geblieben sind. Die auf der Karte (Bild oben) ersichtlichen Strukturen sind auch bei einem Lokalaugenschein deutlich zu erkennen.
Dorf-Bauplan rund 900 Jahre alt
Der Ort wurde offensichtlich planmäßig angelegt, was typisch für die Kolonisation der süddeutschen Siedler im Weinviertel war. Gerhard Hasenhündl, Leiter der Archäologischen Abteilung des Museumsvereins Hollabrunn, hat sich Krales angesehen und ist begeistert: "Diese Wüstung ist besonders schön und komplett erhalten. Die aktuellen Entdeckungen sind auch deshalb erstaunlich, weil Wüstungsexperte Kurt Bors diese Gegend schon in den 1980er Jahren sehr genau erforscht hat."
Faszinierend an der Gegend sei, "dass auf engstem Raum rund um den Zentralort Enzersdorf eine solche Vielzahl an Orten im Mittelalter verödet ist".
Ödnennungen und vermutete Ortsverlegung in den Norden
Gerhard Hasenhündl geht davon aus, dass das ältere Krales im heutigen Waldgebiet um das Jahr 1100 gegründet worden ist und wahrscheinlich um 1250 verödete. Er stützt seine These auf historischen Quellen. Demnach gibt es im Jahr 1271 bereits eine Ödnennung von Krales-Alt.
Allerdings wird 1529 und auch 1588 berichtet, dass der Ort vor Jahren vom Wald überwuchert wurde. Es wäre also denkbar, dass zwischen den beiden Ödnennungen wieder ein Krales-Neu existiert haben könnte. Hasenhündl kann sich im 13. Jahrhundert eine damals typische Ortsverlegung aus dem Wald heraus in den fruchtbareren Norden – einige hundert Meter näher Richtung Enzersdorf im Thale - gut vorstellen.
Dort gibt es nämlich gleich drei unmittelbar benachbarte Wüstungsbereiche (Nummern 6 bis 8 auf der Karte).
Der südlichste dieser Wüstungsbereiche (Flur Kralesfeld, Nummer 8) wurde von Kurt Bors schon 1985 lokalisiert und in die Zeit vom 12. bis zum 14. Jahrhundert datiert. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um einige Gehöfte außerhalb des Dorfes oder um eine Ortsverlegung um 400 Meter weiter in den fruchtbareren und ebeneren Norden. Dazu könnten auch die namentlich unbekannte benachbarte Wüstung (Nummer 7) und die St. Kilian-Kirche (Nummer 6) gehört haben.
Hasenhündl vermutet, dass die Einwohner der versunkenen Dörfer zwischen dem 13. und dem 16. Jahrhundert nach Enzersdorf gezogen sind, weil auf Grund von Missernten, Hunger oder Überfällen der größere Ort mit seiner festen Burganlage und den ertragreicheren Böden zu jener Zeit mehr Sicherheit und Schutz bot: "Damit wuchs Enzersdorf im Thale und wurde immer größer und bedeutender." Um 1500 oder kurz danach dürfte Krales somit endgültig untergegangen sein.
Historische Quellen berichten von 40 Bauern, Brunnen und Kellern
1732 ist der Name jedenfalls noch bekannt und es wird das Dorf Greiles genannt (die Schreibweise änderte sich damals laufend), das nun eine Waldung sei. So wären dort noch ein Schöpfbrunnen mit 16 bis 17 Klaftern Tiefe (ein Klafter misst 1,90 Meter) und Haushügel erkennbar.
Der Historiker und Topograf Schweickhardt erwähnt übrigens bei der Beschreibung von Enzersdorf im Jahr 1833 unter anderem einen namenlosen versunkenen Ort, der im nahen Glasweinerwald gelegen sei und damit schon zum benachbarten Herrschaftsgebiet Steinabrunn gehörte.
Er soll von 40 Bauern bewohnt gewesen sein, habe er in Enzersdorf erfahren: „An dieser Stelle, welche heutiges Tages noch den Namen des öden Dorfes und der Kohlstatt führt, finden sich Spuren von Häusern und Kellern; vor und am Ende dieses Platzes gegen Westen bemerkt man einen von Süden gegen Norden laufenden Wallgraben von einigen hundert Klaftern Länge, auch ist ein sieben Klafter gemauerter Brunnen daselbst. Den Platz, wo das Dorf stand, beschatten jetzt 300jährige und noch ältere Eichenbäume.“ Über die Hintergründe für das Versinken der Orte weiß auch Schweickhardt nichts mehr zu berichten.
Die neu entdeckte Ortswüstung Krales liegt übrigens in der Flur Hohenthal – also neben den östlich angrenzenden Fluren „Beym oeden Dorf“ und „Oedes Dorf“ (Franziszeischer Kataster von 1822) im Glasweinerwald, die Schweickhardt wohl beschrieb. Sie gehört heute zum Gemeindegebiet von Großmugl.
Der Historiker Walter Johann Fittner hat sich intensiv mit historischen Quellen zu Krales beschäftigt und die Namen einige Adeliger ausgemacht. Demnach nannte sich vor 1177 Poto de Chruels als Spitzenzeuge einer Urkunde. Um 1180 taucht ein Wolfkerus de Chreulis bzw. de Chraulse auf (die Schreibweise wechselte im Mittelalter immer wieder).
Der Name Krales bedeutete im 16. Jahrhundert übrigens so viel wie "Fest" oder "Schmaus".
Bors, Kurt (1988): Wüstungsforschungen um das „Lange Thal“ bei Hollabrunn. In: Unsere Heimat, Zeitschrift des Vereines für Landeskunde von NÖ, Bd. 59, 1988, S.328 - 355
Weichselbaum, Josef (1993): Heimatbuch von Enzersdorf/Th. und Kleinkadolz. Eigenverlag: Kleinkadolz.
Fittner, Walter Johann (2016): Kralles und St. Kilian. In: Beiträge zur Bezirkskunde Hollabrunn. Beilage zum Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn. Folge 324, 5. Februar 2016, S. 1311-1313.
Schweickhardt, Franz Xavier Joseph (1833): Darstellung des Erzherzogtums unter der Enns. Erster Band. PP. Mechitaristen: Wien. S. 249
Grimm, Jakob und Wilhelm (1873): Deutsches Wörterbuch. Fünfter Band. Verlag von S. Hirzel: Leipzig. Spalte 1980.